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Wissenswertes zum Thema Tod und Trauer

Der Tod ist, neben der Geburt, eine der wenigen universalen Erfahrungen menschlicher Existenz. Er verkörpert das unausweichliche Ereignis im menschlichen Leben. Ein Ereignis, das mit absoluter Gewissheit zu erwarten ist. Gleichzeitig ist das Wesen des Todes in ein tiefes Geheimnis gehüllt.
Wie kann man darüber sprechen? Und vor allem: Kann man darüber sprechen? Auch wenn diese Fragen sehr schwer zu beantworten sind, tauchen sie immer wieder auf und verlangen nach befriedigenden oder zumindest beruhigenden Lösungen.

Wie geht unsere moderne, westliche Gesellschaft mit dem Tod um?

Unsere moderne Gesellschaft erweckt oft den Anschein, als ob eine gewisse Art von Todesverdrängung vorherrschen würde. Auch wenn täglich in den Medien von unzähligen Toten berichtet wird und auch im Fernsehen kaum ein Spielfilm oder eine Serie ohne Todesopfer auskommt, wird der Gedanke an den eigenen Tod oder den Tod von Familienmitgliedern oder anderen geliebten Menschen meist verdrängt. Oft auch weil es ein leichtes ist, in unserer Welt schnell Ablenkung zu finden und somit diesem Thema einfach entkommen werden kann.  Es ist jedoch nicht zulässig, einfach von einer allgemeinen Verdrängung des Todes aus dem Bewusstsein zu sprechen. Schließlich verwenden viele Menschen große Anstrengungen darauf, individuelle Lösungen für den Umgang mit dem Tod, der Trauer und den Verstorbenen zu finden. Ein gutes Beispiel für einen solch individuellen, alternativen Zugang ist der Parkfriedhof Lutzmannsburg mit seinem Verzicht auf eingefriedete Einzelgräber und der dadurch entstehenden lebensbejahenden Stimmung.

Für ein zunehmendes Verdrängungsverhalten und eine gesteigerte Tabuisierung von Tod und Sterben sprechen unter anderem folgende Anhaltspunkte:
  • Professionalisierung (das natürliche Sterben wird an professionelles Institutionen wie Krankenhäuser, Altersheime, Bestattungsinstitute und Kirchen delegiert)
  • Entfremdung (Menschen haben seltener und später eigene Erfahrungen im Umgang mit sterbenden und toten Menschen)
  • Gerontologisierung (Tod und Sterblichkeit widersprechen der Ideologie der Jugendlichkeit und Dynamik und werden auf die Gruppe der alten Menschen übertragen)
  • Kommunikationsdefizite (Menschen vermeiden im Alltag, an den eigenen Tod oder den anderer Menschen zu denken und entwickeln eine Unfähigkeit, darüber zu sprechen)

Über die Trauer

Jeder Trauerprozess verläuft individuell unterschiedlich. In jedem Fall kommt es darauf an, den Verlust an Lebensfreude und die Niedergeschlagenheit, die oft mit der Trauer verbunden sind, zu überwinden. Sigmund Freud beschrieb die Trauerarbeit in drei Phasen: das Akzeptieren des Verlustes, das Trauern mit der Auflösung der emotionalen Bindung und die Wiederaufnahme emotionalen Lebens und neuer Bindungen.

Reinkarnationsvorstellungen

In den meisten nichtwestlichen Kulturen dominieren religiöse und weltanschauliche Werte, die es den Menschen erleichtern, den Tod zu erfahren und ihn als existentiellen Tatbestand anzunehmen.
In diesen Kulturen herrschen sehr spezielle und unterschiedliche Vorstellungen vom Leben und vom Tod vor. Der Tod wird meist als Übergang oder Verwandlung gewertet, und nicht als komplette Auslöschung und Ende.

Es lässt sich feststellen, dass außereuropäische Vorstellungen vom Tod und dem Leben nach dem Tod immer mehr Anhänger finden, so zum Beispiel die Reinkarnationsvorstellungen. Diese Vorstellungen gibt es jedoch nicht nur im Bereich asiatischer Religionen, sondern auch in der griechischen Antike, in Randtraditionen des Judentums und des Islam, in der jüngeren europäischen Geistesgeschichte, im Rahmen esoterischer Bewegungen in Europa und in den USA sowie als populäre Form von individueller Religiosität in unserer modernen westlichen Gesellschaft.  Inzwischen muss die Reinkarnationsvorstellung zu den Kennzeichen der Religion der Moderne gezählt werden.

Vorherrschender Grundgedanke ist, dass die Reinkarnation im Dienst der seelisch-geistigen Vervollkommnung des Menschen steht. Im Gegensatz zu den hinduistischen und buddhistischen Reinkarnationsvorstellungen, welche den Geburtenkreislauf überwiegend als eine Art von Verhängnis betrachten und vor allem den leidhaften Charakter der Wiedergeburten betonen, ist das westliche Reinkarnationsmodell durch eine optimistische Vorstellung der persönlichen Entwicklung gekennzeichnet. Oftmals wird es auch aus einem ökologischen Blickwinkel betrachtet. Im Sinne einer Wiedereingliederung des Menschen in den Kreislauf der Natur.

Umbruchsbewegungen

Die Gestaltung von Abschied, Bestattung und Gedenken verlässt den Jahrhunderte als zuverlässig empfundenen Rahmen der christlich-abendländisch geprägten Gesellschaft und wendet sich anderen kulturellen und religiösen Einflüssen sowie ganz persönlichen Varianten individueller Abschiedsgestaltungen zu. Das Ritenmonopol gehört nicht mehr den Kirchen. Es gibt eine Sehnsucht nach Abschiedsformen, einen Wunsch nach Mitbegleitung und Mitgestaltung von Trauerfeiern. Es gibt ein immenses Bedürfnis nach Begleitung und Gestaltung in Abschieds-, Trauer- und Gedenksituationen, verbunden mit der Sehnsucht nach sinnerfüllten Symbolen ritueller Kommunikation. Es hat sich in unserer Gesellschaft ein Wandel im Bereich der Totenrituale vollzogen, auch vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Todesverdrängung. Trauervollzüge wurden reduziert, wichtige, hilfreiche Riten gingen verloren. Jedoch ist in letzter Zeit ist eine neue Entwicklung festzustellen, und zwar jene des Aufblühens einer neuen Ritualkultur, einer neue Trauerkultur. Hier werden wieder traditionelle Rituale wiederbelebt, der Zeit und der verstorbenen Person angemessen adaptiert oder überhaupt neu entworfen.

Menschenwürde nach dem Tod - Totenwürde

Diese neue Wortschöpfung knüpft an den Begriff Menschenwürde als oberstes Prinzip menschlichen Zusammenlebens und als universaler Grundlage demokratischer Staatsordnungen im europäischen Denken der letzten 200 Jahre an. Mit dem Begriff „Totenwürde“ ist die Absicht verbunden, über den Tod hinaus einen würdigen Umgang mit den Verstorbenen zu regeln. Die unantastbare Würde des Menschen reicht über den Zeitpunkt des definierbaren Lebens hinaus. Die Frage nach der Totenwürde ist die Frage unseres eigenen, persönlichen Umgangs mit den Toten und letztlich mit uns selbst. Der Begriff „Totenwürde“ verweist darüber hinaus auf die Bemühungen, Trauer und Abschied bewusster als üblich zu gestalten und eine neue Memorialkultur im 21. Jahrhundert zu entwickeln, die individuellen Bedürfnissen, unterschiedlichen Religions- und Kulturkreisen sowie Traditionen und Ritualen gerecht wird, die vor allem die Würde des Menschen und der Toten in den Mittelpunkt der inneren Einstellung rücken.

Die christliche Kultur der Thanatopraxis

Die sterblichen Überreste eines Menschen werden seit jeher an eines der vier Elemente übergeben: Feuer, Erde, Luft und Wasser. Als einzige Alternative zum naturlichen Zerfall bewirkt die Feuerbestattung eine radikale, physikalische Auflösung des materiellen Substrats.

In Kontinuität sowohl mit der jüdischen als auch der griechischen Thanatopraxis hat das Christentum die Erdbestattung übernommen und als kulturelle Norm der Beisetzung tradiert. Das Grab als Erinnerungsort und Denkmal erhielt so seine zentrale Bedeutung. Die katholische Kirche hat die Kremierung erst in den sechziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts anerkannt, die evangelische in den zwanziger Jahren. Inzwischen ist die Kremierung ein fester Bestandteil kirchlicher Abschiedskultur und als Urnenbestattung auf dem besten Wege, zum Normalfall christlicher Thanatopraxis zu werden.

Das anonyme Begräbnis

Die weniger als 100 Jahre alte Tradition der so genannten anonymen Bestattung kommt aus Skandinavien. Der Begriff anonym bezieht sich dabei auf die fehlende individuelle Wiedererkennbarkeit des Bestattungsortes. Manche Wissenschaftler deuten die anonyme Bestattung im Rahmen der Befreiungsthese: Der moderne Menschen befreit sich von kirchlichen oder kulturellen Traditionen und bestimmt selbst Form und Umfang von Trauer, Gedenken und Erinnerung.

Freie Bestattungen

Die Bezeichnung „freie Bestattung“ hat sich für Begräbnisfeiern eingebürgert, die ohne bestimmte religiöse oder konfessionelle Bindung vollzogen werden. Die Zunahme nicht-religionsgebundener Bestattungen öffnet den Diskurs in der Bestattungskultur auch in Richtung humanistischer und freidenkerischer Traditionen.

Sind Rituale notwendig?

In unserer Gesellschaft hat sich in den letzten Jahrzehnten ein Wandel im Bereich der Totenrituale vollzogen, vor allem vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Todesverdrängung. Trauervollzüge wurden reduziert, wichtige, hilfreiche Riten gingen verloren. Jedoch ist in letzter Zeit eine neue Entwicklung festzustellen, und zwar jene des Aufblühens einer neuen Ritualkultur, einer neuen Trauerkultur. Hier werden wieder traditionelle Rituale wiederbelebt, der Zeit und der verstorbenen Person angemessen adaptiert oder überhaupt neu entworfen.

Vereinfachend lassen sich vier wichtige Dimensionen im Verständnis von Ritualen hervorheben: die emotionale Dimension, die heilende Dimension, die kommunikative Dimension und die sozial-integrative Dimension.
Es ist abzusehen, dass trotz aller gegenwärtiger oder auch kommender Säkularisierungs- und Modernisierungsschübe eine Konstanz von Riten in der Trauer- und Bestattungskultur notwendig bestehen bleibt.

Auch für andere Begräbnisformen als die traditionell christlichen sollte die Kraft der Rituale bewusst genützt werden. Dass sich Atheismus und religiöse Rituale nicht gegenseitig aufheben, ist in Großstädten längst gelebte Praxis. So können nichtchristliche, humanistische, atheistische oder Feiern im Kontext anderer Religionen oder Weltanschauungen sinnvoll gestaltet werden, indem Lesungen oder andere Wortbeiträge durch den Einsatz von Symbolen oder symbolischer Handlungen ergänzt werden. Zeit haben für Trauer und Abschied sind wichtige Voraussetzung für die Wirksamkeit von Ritualen und die Verarbeitung von Trauer. Der Abschied von einem geliebten Menschen muss in die Tiefe der eigenen Seele vordringen.

Erinnern und Gedenken - heute

Einerseits scheint es starke Strömungen im Umgang mit Erinnerung und Gedenken zu geben, die dem Verdrängen, der Anonymisierung und dem Vergessen-Wollen Vorschub leisten. Dem entgegen steht aber die Tendenz, den Umgang mit Trauer und Abschied wieder bewusst und vor allem öffentlich zu gestalten. Besonders im medialen Bereich wird deutlich, dass eine Sehnsucht nach Bleibendem und Verewigung des individuellen Gedenkens besteht, welche eine nachhaltige Gestaltung verlangt.

Die neuen Atheisten

In Österreich gibt es laut Statistik etwa 1,9 Millionen Menschen „ohne religiöses Bekenntnis“. Das entspricht immerhin 23 Prozent der Gesamtbevölkerung. Für die tatsächliche weltanschauliche Zuordnung dieser Personen gibt es ein weites Feld an Möglichkeiten: Sie können an Religion Desinteressierte, Agnostiker oder Atheisten sein, aber auch einer religiösen oder weltanschaulichen Richtung oder Gruppe angehören, die durch den statistischen Raster nicht erfasst wird. Genaue Zahlen, wie viele Personen sich einer dieser Untergruppen zugehörig fühlen, sind nicht bekannt.